Wo die Hoffnung die Enttäuschung impliziert

Vom Sinn der Generationen

 

Eigentlich wollte ich nur ein paar Ideen zu meiner Zielgruppe - Gründerinnen 50plus - sammeln. 

Was ich fand, war enttäuschend. Und heilsam. 

 

Rein von meinem Geburtsjahr, 1969, gehöre ich schon zur Generation X (1966-1980), fühle mich aber eher den Babyboomern zugehörig, weil ich noch mit dem Leistungsprinzip aufgewachsen bin und so lange daran geglaubt habe. Meine Eltern waren noch alte Schule. Nix 68 revoltierende Studenten, sondern traumatisierte Kriegskinder (Jg, 39 und 41), die nicht gewusst haben, wer sie wirklich sind und wie bedingungslose Liebe funktioniert. 

 

Funktionieren kann ich. Das geht besonders gut, wenn man/frau, wenig über sich weiß. Und das, obwohl ich seit meinen späten Teenagerjahren viele Bücher gelesen habe: Psychologie, Philosophie und Fantasy ^.-

 

Irgendwie war mir nie in den Sinn gekommen, eine wahrhaft eigene Utopie für mein Leben zu entwerfen. Vielleicht, weil mich in meiner Jugend niemand danach gefragt hat. Natürlich hat man mich danach gefragt, was ich arbeiten will. Aber mehr so als Suggestionsfrage, damit ich mich auch ja auf den Hosenboden setze und für mich selbst sorge. So war ich beflissentlich bemüht alles "richtig" zu machen. Ich sag ja: Funktionieren kann ich. 

 

Je mehr ich mich mit den Babyboomern auseinander setzte, desto mehr entstand dieses Bild vor meinem geistigen Auge, dass wir gar nicht anders konnten als enttäuschen. So große Hoffnungen wurden in uns gesetzt. Wir durften in einer heilen Welt aufwachsen, alles essen, ohne Helme Fahrrad fahren und uns draußen rumtreiben, ohne per GPS getrackt zu werden. Ja, der Ein oder die Andere von uns hat so viel Wohlwollen nicht überlebt. Aber insgesamt fanden kalte und nahöstliche Kriege weit weg in der abstrakten Welt des Fernsehens statt, Gummibärchen und Farben durften noch schön bunt sein, Männer flogen zum Mond und so manche Familie zum ersten Mal nach Mallorca. Uns stand die ganze Welt offen. 

 

Wir durften ein bisschen mehr fühlen, uns und andere, nicht nur im Kinderladen. Wir Frauen durften erwerbstätig sein, ohne erst eine schriftliche Genehmigung unseres Ehemannes einholen zu müssen. Unser Bauch und auch der restliche Körper gehörte uns - wann immer wir rauchen, trinken, Sex haben, abtreiben und was auch immer wir anziehen wollten.

 

Alles schien für alle möglich. So viel Hoffnung. Doch genau so, wie in jedem Anfang außer Zauber auch schon das Ende innewohnt, beinhaltet so viel Hoffnung auch viel Raum für Enttäuschungen - Ende der Täuschungen. 

 

Eine zunehmende Zahl von uns fällt psychisch und/oder physisch krank aus dem Erwerbsleben. Immer mehr entdecken ihre spirituelle Seite, versuchen innere und äußere Kinder zu heilen, probieren verbotene Früchte und Kräuter, finden sich plötzlich geschieden wieder ohne ihre eigene Midlife Crisis mitbekommen zu haben oder wandern in den „Ostblock“ aus. 

 

Es ist, als wären wir geboren um zu enttäuschen. Entweder unsere Eltern, unsere Mitmenschen oder unsere Kinder. 

 

Was, wenn es genau richtig war, dass mit den letzen Babyboomern und den ersten Xern (denk dir ein großes rotes gepinseltes "DurchgeXt") das Leistungsprinzip, der Samstag als Arbeitstag, die Maloche, fiel? Was, wenn es darum ging, dass wir das Disruptiv waren, auf dem eine friedvollere Gesellschaft voller Freude und Leichtigkeit entstehen und alle Psychologen und Psychiater lernen konnten das innere Kind zu heilen; denn, wenn wir nicht werden wie die Kinder, können wir nicht schauen das Himmelreich. Zum Teufel mit dieser Himmel schreienden viel zu frühen Selbständigkeit und dem Funktionieren auf allen Ebenen. 

 

Wir waren die ersten, die als Manager und Mütter in den burn out gegangen sind. Wir haben dafür gesorgt, dass der bore out entdeckt wurde - die krankmachende Langeweile, weil wir vom Funktionieren nicht ins erfüllende Handeln gefunden haben. Wie auch. Wo wir doch erst selbst unsere Zen-Meister, unsere Kinder, zur Welt bringen mussten.

 

Jetzt sind diese Kinder aus dem Haus. Oder auf dem Weg raus. Und lassen uns mit dem Koan unseres Lebens zurück. Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin.

Ich hab da so eine Idee: alles hat zwei Seiten – mindestens. Und so, wie in der Hoffnung die Enttäuschung steckt, kann uns unsere Traurigkeit einen Weg dahin zeigen, wo wir nicht mehr enttäuschen müssen, sondern einfach frei von allen Erwartungen, von unseren und fremden, uns auf dem Weg machen können, zu sein. SEIN. Wie viel nutzloser könntest du noch sein?!

Kommentar schreiben

Kommentare: 0